Sauvignon Blanc ist bekanntermaßen nach Chardonnay international die zweitbedeutendste Weißweinrebsorte. Unter Weinliebhabern ist sie dennoch recht umstritten. Manche sind von den grasigen Noten, der berühmten Katzenpisse, früh verarbeiteter Reben angewidert, andere finden die Kombination aus beachtlichem Gerbstoff und beinahe schon kitschiger exotischer Frucht unpassend – und finden zusätzlichen Holzeinsatz dann gleich völlig daneben. Auch ich bin von solchen Vorurteilen nicht völlig frei, auch wenn wir in einer früheren Verkostung die sortentypischen Qualitäten, die viele eben doch schätzen, durchaus zu würdigen wussten.
Um als Verkoster möglichst objektiv zu bleiben (über die Grenzen dieser Objektivität haben wir im Artikel über unser Bewertungssystem schon zu Genüge geschrieben), muss ich der Rebsorte natürlich ab und an doch die Chance geben, mich zu überzeugen. Was wäre dafür passender als der nur in Ausnahmejahren auf den Markt gebrachte Wein eines führenden Weinguts einer der bekanntesten Sauvignon-Blanc-Appellationen? Die Rede ist vom „Baron de L“ der Domaine de Ladoucette in Pouilly-Fumé. Zunächst: Keine Frage, die Flasche ist ein echter Hingucker.
Und es ist auch tatsächlich beachtlich, was der 1982er vierzig Jahre nach Erzeugung noch von sich gibt – nicht unbedingt in der Nase, da merkt man schon, dass dieser Wein nicht gar so lange zu liegen braucht – aber am Gaumen, wo er sich mit der Zeit sehr vielschichtig zeigt. Zugleich fragt man sich als Sauvignon-Blanc-Skeptiker aber natürlich: Wie konnte es nur möglich sein, diesen Wein für einen einstelligen Betrag zu ersteigern? Dass es sich um einen „icon wine“ handelt, schreibt zwar ziemlich jeder Weinhändler, der ihn im Programm hat und über 80€ für den aktuellen Jahrgang unterstreichen diese Ambitionen ja auch augenscheinlich. Zugleich fällt aber auf, dass im Internet nur wenige Weintrinker ihre Lobeshymnen auf den Wein zu singen scheinen. Und zumindest die nicht hinter Paywalls versteckten Bewertungen der Kritikerinnen und Kritiker sind auch nicht gerade berauschend. Ein Wein, der vor allem von der Versicherung lebt, etwas Besonderes zu sein? Oder eben, so mag manch einer unken, eben doch ein Beweis, dass Sauvignon Blanc auch in wirklich guter Form nicht wirklich begeistern kann?
Wirklich positiv fällt vor diesem Hintergrund aber aus, was die beiden griechischen Weine, die wir begleitend tranken, zum Abend beizutragen hatten. Der Sauvignon Blanc Kryovrisi 2021 von der Domaine Hatzimichalis (PGI Atalanti) und der Amethystos fumé 2019 von der Domaine Costa Lazaridi (PGI Drama) unterscheiden sich darin, dass letzterer im Holz ausgebaut ist. (Auch die Domaine Hatzmichalis hat eine solche Variante im Angebot, die wir aber nicht verkostet haben.)
Gemein ist ihnen, dass sie von Weingütern stammen, die sich in derselben Phase des griechischen Weinbaus etabliert haben, als Quereinsteiger das Potenzial dieses Wirtschaftszweigs erkannt und durch innovative Ideen bereichert haben. (Siehe hier unseren Beitrag über die Domaine Costa Lazaridi und hier einen Artikel über die Pionierleistung der Domaine Hatzimichalis, was die Produktion reinsortiger Weine angeht.) Die Tatsache, dass auf beiden Etiketten „single vineyard“ steht zeugt zudem von dem wachsenden Bewusstsein dafür, durch einen Fokus auf Lagenweine die Typizität der griechischen Produkte herauszuarbeiten.
Und auch was in der Flasche drinnen ist, überzeugt auf ganzer Linie. Der Kryovrisi ist ein hervorragend ausbalancierter Wein, mit ansprechendem Bukett, tollem Spiel und – für griechische Weine oft die Achillesverse – mit 13,5% einem Alkoholgehalt, der den Wein perfekt im Lot hält. Auch schön: Endlich mal kein störendes CO2 für einen Wein, der dafür gemacht ist, jetzt getrunken zu werden. Für um die 10 € bleibt hier kein Wunsch offen und wir vergeben sehr zufriedene hervorragende 17 Punkte.
Auch der Amethystos fumé präsentiert sich als idealer Vertreter seiner Stilistik. Hier zahlt man ein bisschen mehr – aber noch deutlich unter 20€ – und bekommt dafür eine sehr distinktive Holzaromatik. Der Wein verdient gleichsam hervorragende 17 Punkte. Es sei aber zusätzlich noch hervorgehoben: Wer etwa beim international vielleicht berühmtesten Sauvignon Blanc aus Griechenland – dem Produkt vom Ktima Gerovassiliou (hier besprochen) – als bekennender Sauvignon-Blanc-Banause den Kopf darüber schütteln muss, weshalb hier unbedingt Exotik und Eleganz miteinander vermählt werden müssen, der wird hier eventuell deutlich glücklicher: Denn in der Nase schlägt dieser Wein von der Domaine Costa Lazaridi mit einer recht brachialen Rauchigkeit ein, die einen die Suche nach Früchten im Hintergrund schnell vergessen lässt. Und die Vanille, die am Gaumen dominiert, mag manchen vielleicht zu penetrant sein, gibt aber zumindest dem Holzeinsatz bei dieser Rebe eine für mich nachvollziehbare Berechtigung.
Hat Sauvignon Blanc wirklich das Zeug zum Kultwein? Für diese Möglichkeit muss ich wohl weiter offen bleiben. Auf jeden Fall macht man daraus in Griechenland sehr guten Wein, der seinen Zweck erfüllt: mit Genuss getrunken zu werden.
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