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  • Griechische Weine

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes Aglianico

Manchmal ergeben sich die besten Verkostungen ganz von alleine. So saßen wir neulich etwa noch nach einer kleinen Verkostung von Agiorgitiko noch trinkbereit beisammen, als ich die entsprechenden Flaschen aus dem Verkehr ziehen musste, um noch einen Schluck für die obligatorische Nachprobe zur Verfügung zu haben. Um kein schlechter Gastgeber zu sein, ging ich zielstrebig zu meinem Regal, das eigens für solche Fälle vorgesehen ist, wo angesichts von fortgeschrittener Stunde und bereits einsetzender Wirkung des Weines kein Raum für große die Weinauswahl betreffende Überlegungen mehr ist...


Ganz oben lag eine Flasche Taurasi von Mastroberardino – aus dem Jahr 1973. Ich hatte diese mal recht günstig ersteigert und an diesen Ort geräumt, weil sie mir perfekt erschien, um einfach mal geöffnet zu werden, wenn eine gute Flasche Wein ohne all zu viele Querverbindungen und Referenzen zu griechischen Weinen notwendig wäre. Ich gestehe nämlich, dass ich den Taurasi bisher sehr wenig bewusst konsumiert habe – und das, obwohl Wikipedia mir doch klar sagt, dass er „zu den besten Rotweinen Italiens“ zählt und ich mit Barolo und Brunello di Montalicino, mit denen er „gleichgesetzt“ werde, doch deutlich mehr Erfahrung habe. Details zum Wein hatte ich nicht mehr vor Augen. Es war mir schon bewusst, dass es sich um ein Qualitätsprodukt handelte, aber der Abend sollte ja auch auf hohem Niveau enden.


Kaum hatte ich die Flasche geöffnet (ich hatte noch nie einen solch guten Korken bei einer Flasche dieses Alters), fiel es mir allerdings siedend heiß ein. Gerade ein paar Wochen zuvor hatte uns die Domaine Hatzimichalis doch diesen obskuren Wein geschickt, der ebenfalls ganz speziell geparkt worden war – in dem Regal mit den griechischen Weinen, aus denen sich nie eine thematische Probe ergeben würde, weil zu wenige Erzeuger dafür zur Verfügung stehen.


Also musste ich natürlich auch noch diesen Aglianico 2017 (das „g“ wird italienisch übrigens nicht gesprochen) öffnen. Und das hat sich gelohnt! Das Ganze braucht hier nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Es is ist natürlich klar, dass bei dieser Verkostung der große Bruder aus Süditalien die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog. Doch auch der griechische Wein verdient hervorragende 17 Punkte. Charakteristisch ist bei guter Frucht und leicht kräuterigen, beinahe medizinischen, Noten in der Nase, vor allem der Antrunk, mit seiner geballten Ladung an Mocca-Noten, wie ich sie sonst nur im Abgang anderer Weine kenne. Dazu kommt eine ganz eigentümliche Tanninstruktur, fein aber dynamisch. Bei ebenfalls 14,5% Alkohol gefiel uns dieser Wein deutlich besser als der Merlot desselben Jahres vom gleichen Weingut.

Wohin all das eventuell noch führen mag, zeigte uns dann der Taurasi. Was für ein Wein! In der Nase dominierten freilich Tertiäraromen, die auf ein gewisses Alter hindeuten ließen. Doch die blind Mitverkostenden kamen auch nicht auf ein Drittel des tatsächlichen Alters in ihren Schätzungen. Dazu ist der Wein im Mund schlicht zu fidel – und wird von einem noch voll intakten Tanningerüst stolz aufrecht gehalten.

Ob der Wein der Domaine Hatzimichalis in vier bis fünf Jahrzehnten auch so fantastisch sein wird? Darüber kann man nur spekulieren. 18 Monate Holzausbau zeugen auf jeden Fall von gewissen Ambitionen. Und für genau diese muss man als Weinliebhaber der Domaine Hatzimichalis an dieser Stelle auch mal einen expliziten Dank aussprechen. Das Weingut hat in den 1980er Jahren Pionierarbeit geleistet, was die Etablierung reinsortiger Weine anging. (Entsprechend waren wir über das eher verhaltene Auftreten des Merlots, der diese ganze Entwicklung überhaupt einleitet, auch etwas enttäuscht.) Bis heute wird an dieser Palette stetig geschraubt. Und dazu gehört nun eben auch, diese antike griechische Rebsorte – die den griechischen Mutterboden vor 2500 Jahren mit so großer Wirkung nach Italien verlassen hat – wieder in heimische Gefilde zurückzuholen. Das trifft natürlich einen gewissen Nerv bei Leuten, die sich auch von Geschichten über phönizische Seefahrer bezirzen lassen. Es ist dieses Bestreben aber sicher auch so aller Ehren wert – und hat uns auf jeden Fall an jenem Abend eine ganz unverhoffte zweite Verkostungsrunde beschert.

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