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  • Griechische Weine

Wie gut sind griechische Weine?

„Ziemlich gut,“ würden wir natürlich sagen – sonst hätten wir diese Webseite nicht gemacht. Aber was heißt das genau? Wer sich neu für Wein aus Griechenland interessiert, würde es natürlich gerne etwas genauer wissen. Und deswegen wollen wir in diesem Beitrag ein wenig darüber sprechen, wie wir die Weine bewerten, die wir für euch verkosten.


Verschiedene Bewertungssysteme


Das 100-Punkte-System

Am häufigsten begegnet man bei Weinbewertungen dem 100-Punkte-System, das vor allem durch Robert Parker bekannt gemacht wurde, aber auch sonst (z.B. vom Wine Spectator) sehr häufig verwendet wird. (Für eine gute Übersicht über verschiedene Systeme siehe hier.) Die Kritik an dieser Praktik ist vielfältig. Auf der einen Seite steht, wie sehr dadurch die Märkte beeinflusst werden – der Unterschied zwischen 89 Punkten und dem Erreichen der magischen 90-Punkte-Grenze kann für ein Weingut den Unterschied zwischen Ausverkauf und drohenden Bankrott bedeuten.

Auf der anderen Seite wird aber auch immer wieder in Frage gestellt, wie zuverlässig eine solche numerische Bewertung überhaupt sein kann. Wir kennen zwar viele Weinexperten, die wir sehr schätzen und die das 100-Punkte-System verwenden. Uns selbst trauen wir allerdings definitiv nicht genug zu, um den Anspruch einer solch feingliedrigen Differenzierung zwischen verschiedenen Weinen erheben zu wollen. Das beginnt ja schon mit den verschiedenen Jahrgängen desselben Produkts: Wie soll man den Geschmack über Monate präsent halten, um dann im Folgejahr eine Differenzierung um einen Punkt hin oder her auf einer so großen Skala vornehmen zu können? Was man sich doch dabei eher noch merkt, ist der generelle Charakter eines Jahrgangs und wie sich ein bestimmter Wein im Vergleich zu vergleichbaren Weinen verhalten hat. Dadurch kann man durchaus generelle Tendenzen über die Jahre hinweg angeben, was etwa die Säure angeht. Wir haben aber so unsere Zweifel, wenn mit so viel zeitlichem Abstand angeblich neue Aromen entdeckt werden, die einem Wein dann Pluspunkte verleihen.


Und es gibt durchaus Anzeichen, dass das nicht nur an unseren eigenen rudimentären Gaumen liegt. Es gibt durchaus wissenschaftliche Experimente, die nahelegen, dass die „Standardabweichung“ bei einer 100-Punkte-Skala ganz gehörig ist. (Ein wenig Abhilfe schafft hier diese Webseite, welche Abweichungen in verschiedenen Verkostungen berücksichtigt und so die Kategorie der Zuverlässigkeit als Parameter zur bloßen Nummer miteinführt.) Was einen kritischen Realitätscheck zum Thema „Weingedächtnis“ angeht, ist auch die YouTube-Sendung „So, you think you know wine?“ der kanadischen Verkostungs-Plattform WineAlign sehr empfehlenswert. Gerade in der neuen Staffel (7) ist es sehr amüsant zu sehen, wie die Kritiker/-innen an teilweise durchaus charakteristischen Weinen herumrätseln, die sie nur sehr wenige Tage zuvor im Büro gemeinsam verkostet hatten. Um es klar zu sagen: die Beschreibungen sind kompetent und nicht willkürlich. Die Tatsache aber, dass bei niemandem die konkrete Erinnerung aufgerufen wird, lässt es doch recht zweifelhaft erscheinen, wenn Weinkritiker/-innen für oft Tausende von Weinen einen so detaillierten auch diachronen Überblick über die Geruchs- und Geschmacksgeschichte zu haben vorgeben.


Beschreibungen ohne Punkte?

Es liegt daher nahe, ganz auf Punkte in Verkostungsnotizen zu verzichten. Felix Bodmann, führender Wein-Blogger in Deutschland, hat sein Punktesystem beispielsweise irgendwann einfach abgeschafft. Allerdings will man ja weiterhin so etwas wie unterschiedlich deutliche Trinkempfehlungen aussprechen. Und bei manchen anderen Bloggern und Wein-Influencern kann man da die Tendenz erkenne, immer ausschweifender und blumiger zu werden, je besser ein Wein gefällt und je weniger man Punkte zu verteilen hat, die das zum Ausdruck bringen könnten. Dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden – nur kann das dann auch absurde Ausmaße annehmen, die keinem Konsumenten mehr etwas bringen und die Verkoster/-innen in immer größere Kreativitätsnöte treibt. Was etwa soll es bringen, wenn von einem griechischen Rotwein (zusätzlich zu einer Bewertung auf einer 5-Punkte-Skala) gesagt wird, er offenbare einen „Hauch Labooko-Erdbeerschokolade von Zotter.“ Das ist in ungefähr genau so affig, wie über besagte (durchaus sehr leckere!) Schokolade zu sagen, sie schmecke nach dem „Alpha One,“ aber natürlich nur im Jahrgang 2010… (Zutaten der Zotter-Schokolade, für diejenigen, die es interessiert: Rohrohrzucker, Kakaobutter, getrocknete Erdbeeren, Magermilchpulver, Sojalecithin, Zitronenpulver, Vanilleschotenpulver, Steinsalz.)


Es gibt durchaus Blogger mit einem gesunden Maß angeborener Kreativität (der bereits genannte Felix Bodmann wäre ein Beispiel), die sich in diesem Genre bewegen, ohne peinlich zu werden (über den Verlauf dieser Grenze spricht er hier). Wir würden aber vermutlich eher Gefahr laufen, Verkostungsnotizen zu olofaktorischen und gustatorischen Biographien verkommen zu lassen. Und welche Zotter-Schokolade uns letzte Woche besonders erfreut hat, ist nun mal wenig informativ.


Überhaupt scheinen uns numerische Bewertungen dann doch manchmal sogar noch eine Spur objektiver als die Aneinanderreihung flüchtiger Geschmacks- und Geruchseindrücke. Wie wandelbar die sind, zeigt das lustige Experiment, zweimal denselben Wein in einer Blindverkostung auszuschenken und nach Unterschieden suchen zu lassen. Wer es noch nie probiert hat, sollte das unbedingt noch nachholen. Es ist sehr abenteuerlich, was da teilweise für Qualitäts- und Preisunterschiede „erkannt“ werden! Natürlich: Mit mehr Zeit gleichen sich diese Eindrücke an. Aber das Experiment verweist doch auf einen grundlegenderen Umstand: Der Wein bietet uns so viele Komponenten zur Wahrnehmung an. Weder können wir sie alle auf einmal in einer ganz kurzen Verkostungssituation aufnehmen, noch ist gesagt, dass wir in unterschiedlichen Situationen, gleich wie viel Zeit wir uns nehmen, vergleichbar empfänglich für die verschiedenen Aspekte sind. Auch hier gibt es wieder beeindruckende psychologische Forschung (siehe hier für einen aktuellen Überblick), die nachweist, dass die Wahrnehmung selbst von so basalen Parametern wie „Fruchtigkeit“ und „Süße“ durch Faktoren wie Licht und Hintergrundmusik ganz gehörig beeinflusst werden kann.


Der Verzicht auf Punkte macht eine Weinbewertung also nicht unbedingt objektiver. Und in der Tat denke ich mir manchmal etwa bei den Lobenberg-Beschreibungen, dass ich in einer Blindverkostung eine Reihe stilistischer ähnlicher Weine vermutlich eher korrekt den Punkten zuordnen könnte (zumindest, wenn diese ein klein wenig auseinander liegen) als den gebotenen Spektren an Aromen. Ein wenig ist das wie mit Horoskopen: Hat man den Wein erstmal im Glas, passt das schon oft sehr gut – aber eine andere Beschreibung würde man vielleicht auch „herausriechen/-schmecken“ können. Auch Mundus Vini liefert neben den vergebenen Medaillen dankenswerterweise ja auch Geschmacksprofile, die den Eindruck der Verkoster/-innen visuell abbilden. Vergleicht man da verschiedene Jahrgänge desselben Weines, fällt aber auf, dass in einem entsprechenden Daumenkino die Formen ganz schön wild durch die Gegend springen würden. Und wir sehen, um nur ein Beispiel zu nennen, auch recht wenig Parallelen zwischen dem Schaubild für den 2020er Malagousia vom Ktima Gerovassiliou und unseren eigenen Verkostungsnotizen. Auch die Suche nach Aromen ist also eine recht subjektive Sache.


Die 20-Punkte-Skala

Ganz auf Punkte wollen wir daher nicht verzichten. Mit 5 Punkten ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Hier lässt sich der subjektive Eindruck doch in recht klar abgrenzbare Kategorien einteilen. Ein wenig zu groß sind uns die Sprünge dann aber doch. Der griechische Weinbau befindet sich noch immer in seiner Etablierungsphase (darauf kommen wir ganz unten nochmal zu sprechen)und teilweise recht dramatische qualitative Entwicklungen sind hier an der Tagesordnung. Wir wollen auch bei einem bereits richtig guten Wein noch die Möglichkeit haben, eine mögliche Verbesserung entsprechend zu würdigen. 20 Punkte mit Halbpunktschritten scheinen hier gerade richtig. Wir geben es aber gerne zu: Wenn man 30 Assyrtikos parallel verkostet, dann wünscht man sich schnell wieder die 100-Punkte-Skala, weil man so im direkten Vergleich gemäß der eigenen Vorlieben doch differenzierter sortieren kann... Aber wir bleiben stark und beschränken uns bewusst. Denn letztlich geht es zumindest im Kontext dieser Webseite um eine grobe Kaufempfehlung und die Details unserer eigenen Präferenzen interessieren dabei kaum.


Die bekannteste Weinkritikerin, die das 20er-System verwendet, ist sicherlich Jancis Robinson. Wie auch beim 100-Punkte-System – wo sämtliche nicht-fehlerhaften Weine irgendwo in den Bereich zwischen 80 und 100 Punkte fallen – kommt es allerdings auch hier zu einem ganz schönen „Gedränge“ im oberen Bereich: Alles unter 13 Punkten ist im Prinzip noch fehlerhaft und nicht wirklich trinkbar. Selbst 14 Punkte sind noch „deadly dull.“ Mit 15 Punkten hat man dann plötzlich einen Durchschnittswein und mit 16 ist das, was man da im Glas hat dann sogar schlagartig „distinguished.“ Ganz offensichtlich ist die Skala nicht linear und in höheren Sphären geht plötzlich die Rakete ab!


Wie wir unten noch im Detail darlegen werden, entzerren wir das ein bisschen. Dabei orientieren wir uns an dem Benotungssystem, das uns im Studium in Schottland begegnet ist. Sehr vieles lässt sich von der Hochschule auf die Weinwelt übertragen. So sind 13,5 Punkte in diesem System die Note, die notwendig ist, um am Ende eines Masterstudiengangs auch die Master-Urkunde zu bekommen (und nicht mit einem weniger bedeutsamen Diplom abgespeist zu werden). Das wird in unseren Augen mehr dem relativen Charakter von Qualitätsaussagen im Hinblick auf Wein gerecht: Manch ein Tropfen mag in bestimmten Kontexten durchaus als „gut“ gelten können. Für eine Empfehlung im internationalen Kontext reicht es aber dann vielleicht doch nicht. Trotzdem wäre es aber ziemlich vermessen, das Produkt deswegen gleich mit Schimpfwörtern zu belegen…


Vorbemerkungen

Drei Anmerkungen sind noch nötig, ehe wir uns der Skala selbst zuwenden: Die Bewertung spiegelt erstens immer wieder, wie sehr uns der Wein insgesamt gefällt. 20 Punkte werden auch im sogenannten COS-System vergeben, wo in den Kategorien Farbe, Geruch, Geschmack und Gesamteindruck jeweils separat Punkte vergeben werden. Das finden wir reichlich künstlich. Erstens sind die Faktoren kaum unabhängig: Ein Wein mit eklig aussehenden Trübungen wird im Normalfall auch komisch riechen. Und zweitens ist uns die Farbe (rubinrot mit Ocker oder Violett in den Rändern?) wiederum völlig egal, wenn der Wein uns im Geschmack trotzdem umhaut. Wir bewerten Weine als Getränke. Als solche sind sie facettenreich, treten aber eben nicht in ihren Einzelkomponenten auf, sondern kommen mit einem bestimmten Zweck auf den Tisch. Wie schon die Überpräzision der 100 Punkte impliziert eine solche Aufteilung in unterschiedliche Kategorien eine nicht gegebene Wissenschaftlichkeit des Unterfangens. Wer Wein genießt, befindet sich meist nicht im Labor, sondern (zumindest hoffentlich bald wieder) in einer gemütlichen Runde. Weinbewertungen haben letztlich viel mehr mit Kunstkritiken zu tun als mit wissenschaftlichen Analysen. Und dabei geht es eben auch viel um persönlichen Geschmack. Das beweist auch die sehr amüsante Fehde zwischen Robert Parker und Jancis Robinson über den 2003 Château Pavie. Parker hatte ihm hervorragende 95/100 Punkte verliehen, Jancis Robinson unterirdische 12/20. Manche würden sich wohl für die Diskrepanz eine stichfeste Erklärung wünschen - und seien es unlautere Motive. Die Wahrheit ist aber, wie Jancis Robinson schulterzuckend erklärte, sehr viel einfacher:

„… all I really want to say is that wine assessment is subjective.

Wir schauen uns deswegen zweitens auch immer die Flasche an. Zuerst verkosten wir den Wein in der Tat blind, um ihm die Chance zu geben, uns immer wieder neu zu überraschen. Irgendwann ziehen wir den Vorhang dann aber zurück. Denn auch das Etikett gehört mit zum Genuss. Das Auge trinkt mit. Es sei wieder auf die zahlreichen Forschungsprojekte verwiesen, die zeigen, dass profane Dinge, wie das Gewicht oder die Form der Weinflasche den subjektiven Eindruck eines Weins ganz gehörig beeinflussen. Man kann natürlich versuchen, diese Aspekte in der Blindprobe auszublenden. Aber was ist damit letztlich für den Konsumenten gewonnen, der oder die den Wein ja meist unter weniger sterilen Bedingungen genießt? Wir simulieren daher liebe eine realistische Genuss-Situation und schauen uns dann irgendwann an, was wir uns eingeschenkt haben. Wenn dann ein Kultwein urplötzlich ein paar andere auf dem Tisch stehende Flaschen überholt, ist daran überhaupt nichts Anrüchiges. Man verteilt ja dann nicht einfach willkürlich Bonuspunkte. Vielmehr kann es eben sein, dass mit mehr Hintergrundwissen auch die Sinne selektiver arbeiten. Genau so funktioniert die Psychologie des Genusses. Es macht den sensorischen Eindruck nicht weniger real, nur weil er eine kognitive Komponente hat. (Man muss wieder an die Leute von WineAlign denken, die sich auf YouTube die Blöße geben: So völlig blind kommt es manchmal zu großen Fehleinschätzungen was Machart und Qualität angeht. Es ist etwas völlig anderes, einen Wein einzuschätzen, wenn man schon weiß, was man im Glas hat. Und das ist bei den meisten auch blind bewerteten Weinen zumindest im Hinblick auf Region und Rebsorte der Fall.) Ein Mensch, der in Sachen Ernährung die Natürlichkeit hochhält, wird einen Wein, der zunächst durchaus mundet, beispielsweise völlig angewidert wegschieben, wenn er erfährt, mit welchen Tricks da im Keller gearbeitet wurde. (Wer das affektiert findet, darf dann bitte auch den Salat nicht plötzlich eklig finden, nur weil er darin eine Schnecke kriechen sieht.) Nur eins sollte man fairerweise bei solchen Bewertungen dann nicht unterlassen: Transparenz. Wenn die Qualität eines hochwertig produzierten Tropfens sich nur langsam erschließt und andersherum eine Flasche positiver überrascht, als das Etikett vermuten lassen würde, dann sind das interessante Informationen, die man nicht für sich behalten sollte.


Zum Weingenuss gehört also durchaus auch, sich über Weine zu informieren. Das führt uns zur dritten Vorbemerkung – zur Betrachtung, wie sich unsere Bewertungen griechischer Weine zu anderen Bewertungen verhalten. Da die Punkte den Gesamteindruck widerspiegeln, lässt sich erstmal auf jeden Fall sagen: Ein 16-Punkte-Wein aus Griechenland gefällt uns genauso gut wie ein 16-Punkte-Wein aus Frankreich. Wir haben also tatsächlich den Anspruch, dass unsere Bewertungen über die griechischen Landesgrenzen hinaus vergleichbar sind (das wird teilweise durchaus anders gehandhabt). Ein „für griechische Verhältnisse“ guter Wein bekommt daher auch keine Vorzugsbehandlung. Entsprechend haben wir auch kein Problem damit, wenn es in den obersten Rängen noch etwas dünn besiedelt ist. Wie wir unten noch erklären werden, sehen wir den griechischen Wein schlicht noch nicht am Ziel seines Potenzials. Dieses Vorgehen macht unsere Bewertungen in unseren Augen wertvoller, als wenn wir – Hotelbewertungen vergleichbar – Punkte nach (aktuellen) Landesstandards vergeben würden.


Bei aller Strenge wird allerdings sicher manchmal auch auffallen, dass wir positiver bewerten als manche bekannten Kritiker/-innen. Das liegt aller Wahrscheinlichkeit wieder an der genannten kognitiven Komponente: Es fehlt hier auch bei den Experten oft einfach der Zugang zum Produkt. Wer Zeit im Bordeaux zugebracht hat, wird eine Wertschätzung für die Produktionsabläufe entwickeln und die Qualität auch im Glas erkennen können. Griechische Weine kommen den professionellen Verkostern hingegen nur sehr sporadisch ins Glas und oft wissen sie kaum etwas über die Hintergründe. Es wundert dann nicht, wenn ein Weinkritiker zu einem der in unseren Augen besten griechischen Cuvées sagt, er wisse nicht so recht, „was das soll.“ Um Geruchs- und Geschmackseindrücke zuordnen zu können und mit Bewertungen zu verbinden, braucht es Referenzpunkte. Das erklärt auch, weshalb so viele Weintrinker mit dem Wein, der sie einst auf den Geschmack brachte, gar nichts mehr anfangen können. Mit dem Genuss kommt das Interesse, mit dem Interesse kommt die Expertise und mit der Expertise kommt es zu einem Training des Geschmacks. „Gut“ schmeckt dann irgendwann das, was in der Produktion „hochwertig“ ist – also den eigenen Qualitätsstandards entspricht. Es stimmt also durchaus ein wenig, wenn Weinverächter den -genießern vorhalten, sie würden vor allem den Preis schmecken. Und so gesehen darf man uns auch ruhig ein wenig Voreingenommenheit vorwerfen. Wir mögen Griechenland, uns fasziniert die Geschichte. Und wir hören daher sicher zweimal hin, wenn uns jemand etwas über eine antike Rebsorte erzählt. Und das macht sich dann auch im Glas für uns bemerkbar. Nur würden wir sagen: Wer sich ebenfalls auf diese Hintergründe einlässt, wird die griechischen Weine auch schon bald mehr zu schätzen wissen. Der Blog hat daher durchaus auch das Ziel, über Weingüter- und Regionen, Produktionsmethoden etc. zu informieren – nicht nur als unabhängige Ergänzung zu den Weinbesprechungen, sondern auch, um dem Verstand das Futter zu geben, das nötig ist, damit der Gaumen das, so würden wir sagen, angemessene Potenzial der griechische Weine herausschmecken kann. Weingenuss und Bildung gehen Hand in Hand! :)


Unsere Skala


0-3 Punkte

Ein solcher Wein ist übel, eigentlich kaum als Wein erkennbar. Hier droht unmittelbare Lebensmittelvergiftung. Selbst mit größter Rücksicht auf die Gastfreundschaft bringt man das nicht über die Lippen. In der Sprache des universitären Benotungssystems, an dem wir uns orientieren, heißt das: „Fail – no right to reassessment!“ Wer so etwas produziert hat, bekommt auch keine zweite Chance. Oder eben: Setzen, sechs!


3,5-6 Punkte

Auch damit fällt man an der Universität noch durch – bekommt aber die Chance, es nochmals zu probieren. Es ist zumindest ein gewisses Interesse, Wein herzustellen, erkennbar. Wer weiß, vielleicht wird da in einigen Jahren Genießbares produziert. Man würde einen solchen Wein in der Taverne aus Höflichkeit wohl zumindest auf zwei Drittel leeren – bekommt man dann aber wider Erwarten noch eine Runde spendiert, wird man sich nach nahegelegenen Blumentöpfen umschauen.


6,5-9 Punkte

In diesem Bereich haben wir es mit durchschnittlichem Tafelwein aus Eigenproduktion zu tun, wie man ihn in Griechenland in Tavernen vorgesetzt bekommt. Hier findet man keinen Hochgenuss – aber durchaus ein genießbares Getränk. Und je nach Stimmung ist man hier auch bereit, einiges zu verzeihen – und bestellt sogar nochmal nach.


9,5-13 Punkte

Hier wird es langsam spannend. Kritiker/-innen wir Jancis Robinson verwenden hier noch sehr negatives Vokabular. Aber man muss, denken wir, hier etwas differenzierter sein. Was als „gut“ gilt hat viel mit dem Anspruch zu tun und das wiederum ist durchaus kontextabhängig. (Gut erkannt hat das Felix Bodmann für seine Kategorie 75-79 Punkte.) Weine vom oberen Ende dieses Spektrumausschnitts können im Moment sogar durchaus begeistern. Es sind die klassischen Urlaubskoffer-Reinfälle: Im Urlaub hat der Wein so gut geschmeckt, dass man davon unbedingt einen kleinen Plastik-Kanister kaufen musste. (Denn im Bereich der Flaschenabfüllung sind wir hier allermeist noch nicht.) Zuhause den Freunden vorgesetzt, ruft er zwar keine vor Ekel verzerrten Gesichter, aber doch die eine oder andere gehobene Augenbraue hervor. Was so toll sein soll an diesem Wein, wird man da gefragt. Irgendwie scheint er auf dem Flug schlechter geworden zu sein! Wir finden: Man braucht sich nicht dafür zu schämen, solchen Wein zu genießen und in der Situation für sehr angemessen und erfreulich zu finden. Nur für den internationalen Export fehlt dann doch noch das gewisse Etwas.


13,5-15 Punkte

In diesem Bereich sind uns bestehende Bewertungssysteme oft schwer nachzuvollziehen. Mit 14 Punkten ist man bei Jancis Robinson noch „deadly dull,“ mit 16 bereits „distinguished.“ Das Problem ist in unseren Augen, dass alles unter 14 Punkten sowieso als ungenießbar gilt. Wir sehen das aber eben etwas anders: Für unter 14 Punkte braucht man kein Schimpfvokabular. Es ist einfach nur nichts, das wir weinbegeisterten Freunden in Deutschland empfehlen würden, um ihnen griechischen Wein nahezubringen. Ab 14 Punkten ändert sich das.


Da passt auch wieder die Analogie des universitären Benotungssystems ganz hervorragend: Ab 7 Punkten besteht man zwar, aber um am Ende des Studienganges den auch international begehrten Master-Titel zu erhalten, braucht man im Schnitt mindestens 13,5 Punkte. Darunter gibt es nur ein weniger wertvolles Diplom. So auch bei uns: Ein Wein der die Grenze von 13,5 Punkten erreicht, ist im Bereich des international Empfehlenswerten. Sicher wird nicht jeder solche Weine „brauchen.“ Aber was im Discounter steht, wird hier schon sehr zuverlässig hinter sich gelassen.


Im 100er-System befinden wir uns mit dieser Grenze von 13,5 Punkten übrigens irgendwo im Bereich von 80 Punkten. Ganz genau lässt sich das nicht sagen. Denn Umrechnungen der Systeme sind sehr schwierig, weil sie nicht linear verlaufen und so unterschiedlich angewendet werden. (Hier kann man ein wenig spielen. Diese Tabelle des Decanter scheint uns recht zuverlässig.)


In Worten verleihen wir hier das Prädikat „gut.“ Und das ist jetzt eben ein anderes „gut“ als in Griechenland mit Blick aufs Meer, es ist ein „gut genug“ unter den spezifischen Gesichtspunkten, die wir erwähnt haben.


Kommt noch die Frage nach dem Preis. Denn ob ein Wein letztlich wirklich empfehlenswert ist, hängt ja nicht nur von den Qualitätsansprüchen desjenigen ab, dem oder der man griechischen Wein schmackhaft machen möchte. Auch der potentielle Gegenüber wird je nach Preis den Wert eines Weines unterschiedlich beurteilen. Es gibt sogar ganze Bewertungssysteme, die versuchen, Qualität und Preis zu integrieren. Hier, am unteren Ende unserer Empfehlungs-Skala tut sich Griechenland nicht gerade mit besonders preiswerten Weinen hervor. Dazu fehlen – bis auf wenige Ausnahmen – einfach die Produktionsflächen und mehrheitlich auch die Vertriebswege. Auf Discounter-Niveau bekommt man solche Weine daher in Deutschland als Endverbraucher eher nicht. Mit 10€ pro Flasche muss man schon rechnen. Alles darunter ist eine sehr angenehme Überraschung.


15,5-16 Punkte

Mit 16 Punkten kommen wir zu Weinen, die wir „sehr gut“ nennen (so, wie das auch beim Weinwisser von René Gabriel der Fall ist). Im 100-Punkte-System entspricht das ziemlich exakt den 85-89 Punkten. Gerade in diesem Bereich hat sich in Griechenland in den letzten Jahrzehnten die vielleicht erfreulichste Entwicklung getan. Weine in diesem Bereich kosten im Normalfall 10-15€ und das erscheint uns auch sehr angemessen.


16,5-17 Punkte

Mit 17 Punkten wird nochmal eine neue Ebene erreicht. An der Universität wird die Master-Urkunde jetzt „with distinction“ vergeben. Umgerechnet in deutsche Schulnoten sind wir jetzt schon deutlich näher an der Eins als and er Zwei. Und bei Parker hätte ein solcher Wein jetzt die magische 90er-Grenze geknackt.


Wir sagen, ein solcher Wein ist „hervorragend.“ Das sind jetzt Weine, die man auch sehr kritischen Zeitgenossen getrost (blind) einschenken kann. Großes Vergnügen beim Raten ist garantiert! Und die Auflösung wird nicht zur Ernüchterung. Hier kann man eigentlich wirklich nichts falsch machen, es sei denn man trinkt sowieso nur ganz bestimmte Mosel-Lagen.

Und so langsam gefällt uns die griechische Preispolitik auch immer besser: Denn weit über die 15€ kommen wir hier noch gar nicht hinaus. Und es gibt sogar manchmal überraschende Ausflüge nach unten!


17,5-18 Punkte

Das ist in deutschen Schulnoten jetzt die glatte 1. Und wer lieber im 100er-System denkt, darf hier gerne 95 Punkte veranschlagen. Felix Bodmann beschreibt solche Weine (bei ihm: 95-99) wie folgt:

„Große Weine. Das sind Weine, die erst mal perfekt sind, und im Laufe des Genusses taucht irgendwo ein winziges Defizit auf, was die 100 unmöglich zu machen scheint. Nach dem Innehalten muss ich sofort jemanden anrufen und von diesem Wein erzählen (wenn ich niemanden zum teilen habe). Passiert so selten, dass ich eine genaue Beschreibung nachreichen werde, wenn es mal wieder so weit ist.“

„Erstmal perfekt“ trifft es eigentlich ziemlich gut. Wobei es gar nicht unbedingt ein Makel sein muss, der sich dann doch noch aufdrängt. Es geht bei uns eher um die Realisierung, dass andere Weine uns noch mehr begeistern könnten, dass es im relativen Vergleich eben doch noch ein „noch besser“ gibt oder zumindest geben könnte. Nach „superior“ bei 17 hier einfach von „a cut above superior“ zu sprechen, wie Jancis Robinson das tut, erscheint uns ein wenig einfallslos. Wie der Weinwisser sogar das Attribut „überdurchschnittlich“ nochmal herauszukramen und es mit dem Adverb „weit“ aufzuwerten, erscheint uns sogar eher als Rückschritt. Eine 1,0 ist eine glatte Eins im Abi, egal, ob man sogar noch ein paar Punkte mehr gesammelt hat oder es eine Punktlandung war. Für uns sind solche Weine daher schlicht „großartig.“ Es gibt noch etwas darüber, aber das ist echt für Nerds.

Wenn man sich überhaupt für Wein interessiert, sollte man hier zugreifen. Die gute Nachricht: Solche griechische Weine bekommt man oft für 15-25€.


18,5-20 Punkte

Jetzt wird die Luft wirklich dünn. So viele Punkte hatte in unserem Studiengang an der schottischen Universität niemand im Jahrgang. Weine in diesem Bereich sind schlicht „phänomenal.“ Trotzdem haben wir hier – das fällt manchen vielleicht auf – noch ein recht breites Punktespektrum, was gerade gegenüber dem 100er-System auffällt. Aber wir wollen auch bewusst weg von dieser Fokussierung auf die glatte 100, die von der 99 doch wohl kaum noch „objektiv“ abgegrenzt werden kann (siehe dazu auch hier).


Für uns ist dies der Bereich, in dem einfach alles stimmt. In dem wir an eine „Verbesserung“ des Weins auch gar nicht mehr sinnvoll denken können. Und trotzdem sind wir hier teilweise unterschiedlich stark begeistert. Wir wollen sowohl diesen Schwankungen im Enthusiasmus Ausdruck verleihen können, zugleich dadurch aber keinen Schatten auf das unzweifelhaft verdiente Prädikat solcher Ausnahmeweine werfen. Die am universitären Benotungssystem angelehnte Einteilung erlaubt uns genau das. Und außerdem sparen wir uns dann den 21. Punkt, den René Gabriel für den Weinwisser dann doch eingeführt hat...


Großartig ist, dass bis auf wenige Ausnahmen (z.B. aus Santorini mit irrwitzig geringen Erträgen) solche Weine immer noch sehr erschwinglich sind. Man kann sie nicht selten für 25€ bekommen. Wobei statistische Angaben hier generell mit Vorsicht zu genießen sind, denn Weine dieser Kategorie sind insgesamt sehr rar. Wir sind dem griechischen Wein gegenüber ja sehr positiv eingestellt und bewerten im Bereich bis 18 Punkte durchaus auch mal höher, als das in etablierten Zeitschriften der Fall ist. Aber in diesen luftigen Höhen sind auch wir sehr zurückhaltend – gerade auch, weil wir den griechischen Weinbau so respektieren.


Denn wer diesen fair beurteilt, wird zu dem Schluss kommen, dass dieser seinen Gipfel noch nicht erreicht hat. Das liegt zu ganz großen Teilen auch am bisher fehlenden internationalen Interesse, wie Yiannis Karakasis kürzlich überzeugend dargelegt hat – beziehungsweise auch am griechischen Desinteresse, internationale Märkte zu erobern. Das hat aber auch ganz grundsätzlich damit zu tun, wie jung qualitativ hochwertiger Weinbau in Griechenland generell noch ist.


Man nehme als Beispiel das kürzlich hier besprochene Gut von Evangelos Gerovassiliou. Rote griechische Weinreben wurden dort erst in den 1990ern angepflanzt. Die Cuvée Avaton aus autochthonen Rebsorten hat sich dann nur ganz langsam daraus entwickelt (Gerovassiliou spricht hier ausführlich darüber). Da ging es zunächst darum, die Limnio-Rebe, welche im Zentrum steht, überhaupt erfolgreich anzubauen. Dazu gehören auch Rückschläge und Umpflanzungen. Dann kann mit Top-Qualität sowieso erst bei einem gewissen Alter der Rebstöcke gerechnet werden. Das richtige Verhältnis der Verschnittpartner untereinander kostet Zeit – ja, sogar die Auswahl selbst ist mit vielen Experimenten verbunden, da man nicht einfach auf die Erfahrung anderer Winzer zurückgreifen kann. Und die Experimente verlaufen in Jahreszyklen und man muss sich mit jedem Jahrgang auf das Drehen an nur wenigen Stellschrauben beschränken. (Und manchmal macht einem dann sogar noch das Wetter einen Strich durch die Rechnung.) Und dann dauert es nochmals einige Jahre, bis der Wein in der Reife seinen Höhepunkt erreicht hat.


Sprich: Viele griechische Weine, die wir bereits hervorragend oder sogar großartig finden, haben vermutlich das Potential, in diesem Bereich von „besser als die glatte Eins“ vorzudringen. Sie brauchen einfach noch ein wenig Zeit. Und unser Interesse.


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