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Griechische Weine

Die besten griechischen Merlots für graue Herbsttage

Der graue Herbstnebel hat die Spätsommersonne jetzt doch recht endgültig abgelöst. Das soll uns heute Anlass sein, sich wärmenden Rotweinen aus Griechenland zuzuwenden. Es soll um einige Merlot-Weine gehen, die wir in letzter Zeit verkostet haben. (Vergleiche dazu auch den Artikel vom letzten Jahr.) Wobei wir – so viel werden wir schonmal vorwegnehmen – das gar nicht immer Alkoholbomen sind, die einem die Brust entflammen lassen … Griechenland hat in der Hinsicht durchaus Vielfalt zu bieten.


ΡΟΕΣ 2020 / Ombre 2022 von Oinotropai Estate

Ehe wir zu den Rotweinen kommen, nehmen wir uns kurz zwei Roséweine vor, den Merlot von Oinotropai Estate, der im Jahrgang 2020 noch ΡΟΕΣ hieß und von dem ich dieses Jahr auch den 2022er unter dem Namen Ombre im Urlaub im Glas hatte. Der Eindruck ist sehr konstant. Ein ins Würzige und Kräutrige tendierender Roséwein mit einer ordentlichen Portion Säure und Tannin. Braucht Essensbegleitung. Durchaus anspruchsvoll. 90 Punkte.


Liberté Day Nine von Jima Winery 2021

Der 2021er (mit dem Namen Liberté – Day Nine) von der Jima Winery weist eine sehr komplexe Nase auf, inklusive kandierter Zitrusschalen. Am Gaumen macht sich das Hefelager bemerkbar. Nachhall ist lang, allerdings nicht übermäßig lang. Die Textur ist jedoch großartig. 14% Alkohol sind hervorragend integriert. Ebenfalls eher ein Wein zum Essen. 92 Punkte.


Jetzt aber zu den Rotweinen, vom Einstiegswein bis hin zu Weinen auf Weltklasse-Niveau.


Merlot 2021 von der Dionysos Winery


Der Merlot 2021 von der Dionysos Winery ist ein Wein für den sofortigen Genuss. Für kleines Geld (ca. 6 €) bekommt man hier einen Wein, der sich zum Essen ganz hervorragend trinkt. Die Nase ist rotfruchtig, die Säure puffert eine gehörige Restsüße (bei nur 12,5% Alkohol) sehr gut. Der Nachhall ist sogar mittellang und angenehm würzig, wenn natürlich auch nicht extrem komplex. Es ist ein Wein zum gleich trinken – dafür macht er dann aber auch nicht schlapp, wenn man ihn über mehrere Tage zum Abendbrot trinkt. 86 Punkte. Einer der besseren Weine aus dem Sortiment des Weinguts.


Κυριακή! 2019 vom Ktima Kalogri

Einen halbtrockenen Merlot am Sonntag? Dazu wird man mit dem Κυριακή! 2019 vom Ktima Kalogri aufgefordert. Der Name zeugt wohl vom Arbeitsfleiß der Bio-Pioniere, die sich früher keine Pause gönnen. Doch ich kann mir den Wein durchaus schon ganz faul am frühen Freitag-Nachmittag vorstellen. Mit nur 13% Alkohol ist er kein schweres Geschütz. Und obwohl ich kein Liebhaber halbtrockener Weine bin und damit einige grausige Jugenderinnerungen verbinde, macht mir der Wein wirklich Spaß. Eigentlich der ideale Wein zur Brotzeit, zum Vesper, oder wie man es in Ihrer Region auch immer nennen mag. Die Süße harmoniert hervorragend mit scharfer Wurst und würzigem Käse. Und es kommt im Nachhall doch eben auch eine gehörige Portion Brom- und Blaubeere dazu, sodass das Ganze einen wirklich runden Eindruck macht. Sehr gute 89 Punkte.


Merlot 2019 von der Menexes Winery

Es folgen zwei Merlots von der Insel Kreta – ebenfalls aus dem Jahr 2019. Den Anfang macht der Menexes Merlot 2019 vom Ktima Menexes. Die 12 Monate Ausbau in französischer Eiche machen sich bei diesem unfiltrierten Wein vom ersten Schnüffeln bis ins letzte Nachschmecken als Vanille intensiv bemerkbar. Die Frucht tritt dabei etwas in den Hintergrund, zumal das etwas sandige Tannin bereits genug Beschäftigung bietet. Die 14,5% Alkohol und die Vanille vereinen sich zu einem sehr süßen Eindruck. Im Gesamtpaket ist dies aber sehr ansprechend und in sich sehr stimmig. Langeweile macht sich trotz all dieser Harmonie auf jeden Fall nicht breit. Ob mehr Reife hier noch mehr Komplexität hervorkitzeln wird, ist zu sehen. Der Kühlschranktest über mehrere Tage spricht eher dafür, diesen schönen Wein jetzt oder bis spätestens 2025 zu genießen. Freilich nicht der komplexeste Merlot Griechenlands – aber ein Wein mit sehr charakteristischem Profil, der für viele Anlässe passt wie die Faust aufs Auge. Hervorragende 92 Punkte, die mit ca. 15 € sehr angemessen bepreist sind.


Materia Merlot 2019 von der Agelakis Winery


Noch eine deutliche Schippe drauf legt der Materia Merlot 2019 von der Agelakis Winery. Nur sechs Monate Reifung in französische Eiche (und dazu teilweiser Ausbau in Pitharia) führen hier zu einer ungemein anspruchsvollen Nase. Das Holz tritt einem als breites Spektrum an Gewürzen entgegen, ohne dass dabei aber einzelne Komponenten unangenehm herausstechen würden. Dazu kommen blutige Aromen, die Interesse daran wecken, wie sich der Wein wohl am Gaumen zeigen wird. Dort fehlt angesichts dieser hohen Erwartungen dann im ersten Moment etwas Frucht. Aber mit der Zeit spielt sich die perfekt passende Säure bei angenehmen nur 13% Alkohol in den Vordergrund und trägt den Wein im Nachhall sehr, sehr lange. Zudem ist dem Wein ist mit etwas mehr Reife sogar noch mehr zuzutrauen. Also 94+ Punkte!


Etos 2006 und Plagios 2012, 2013 und 2014 vom Ktima Biblia Chora


Soweit haben wir uns den Bewertungen nach aufsteigend orientiert. Das müssen wir jetzt etwas durchbrechen, denn wir haben noch ein paar Eindrücke aus dem Herbst 2022 nachzuliefern. Da hatten wir vom Ktima Biblia Chora deren reinsortigen Etos Merlot 2006 und den Plagios rot 2012, 2013 und 2014 parallel im Glas – wobei der älteste Plagios noch 15% Agiorgitiko enthielt. Diese Vertikalverkostung sollte im Verbund besprochen werden. Und wir bewegen uns hier, so viel sei schon verraten, zwischen 93-96 Punkten. Die generelle Richtung stimmt also. Zu den anderen Weinen auf dem Bild kommen wir dann noch im Anschluss ...


Ein wenig Hintergrund, wie es dazu kam, dass wir uns genau diese Jahrgänge besorgten und verkosteten: Der 2013er lag in unseren Augen im Jahr 2021 bei 95 Punkten. Anfang 2022 hatten wir dann die Jahrgänge 2012 und 2014 parallel im Glas. Der ältere der beiden lag bei 93 Punkten, der jüngere bei 94 Punkten. Das jeweilige Alterungspotenzial im Vergleich zum 2013er war mit der zeitlichen Lücke aber schwer abzuschätzen. Wie in diesem Artikel schon vermerkt, wollten wir unbedingt mal alle drei Jahre am gleichen Tag im Glas haben, um mir ein besseres Bild machen zu können.


In der Tat zeigte sich dann bei der gemeinsamen Verkostung vor einem Jahr: der 2013er macht in der Tat den besten Eindruck und verdient nach wie vor 95 Punkte. Der 2012er zeigt deutlich stärkere Alterungsnoten, hat aber gegenüber dem Vorjahr nicht eingebüßt, was wir damals durchaus für möglich gehalten hatten. Eventuell wird er die 93 Punkte doch noch einige Jahre halten können. Auch die Bewertung des 2014er konnten wir bestätigen – nur dass sich jetzt zeigte, dass er gegenüber dem 2013er das bessere Alterungspotenzial besitzt: es gibt daher ein leichtes Upgrade auf 94+ Punkte und wir gehen davon aus, dass er 2025 bei 95-96 Punkten liegen wird.


Es könnte sogar sein, dass dieser Jahrgang des Plagios rot ein höheres Alter als der Etos 2006 erreichen wird. Dieser tolle Wein, der klar die beste Säure in dieser Aufstellung an Weinen aufwies, liegt momentan bei 96 Punkten, dürfte seinen Höhepunkt damit aber erreicht haben. Dem Plagios 2014 trauen wir demgegenüber durchaus zu, zwei oder drei ganze Jahrzehnte vollzumachen, ehe er wieder die Reise nach unten antritt. Leider war das meine letzte Flasche Etos 2006 und so werde ich diesen Wein nicht weiter begleiten können. Vom Etos 2008 – reinsortigem Cabernet Sauvignon – habe ich zum Glück noch eine Flasche. Diesem Wein, so viel sei hier kurz über die andere Rebsorte schonmal verraten, wird die Puste erstmal nicht ausgehen. Aber dazu werden wir in einem anderen Artikel kommen ...


Lacules Estate Merlot 2019 und 2018

Jetzt geht es nämlich erstmal nochmal auf die Peloponnes, zum Lacules Estate. Der Syrah 2019 hat uns begeistert (94 Punkte) und der Syrah 2018 geradezu vom Hocker gehauen (98+), wie man hier nachlesen kann. Jetzt also der Merlot derselben Jahrgänge. Leider hatten wir nicht den 2017er im Glas. Der hat bei René Gabriel 19 Punkte (!) bekommen. Vielleicht lässt sich das ja noch nachholen …


An dieser Stelle ist eine kurze Seitenbemerkung angebracht, lässt sich im Vergleich zu diesen hohen Bewertungen, die für griechische Weine zwar selten aber dann durchaus angebracht sind, ein Problem aufzeigen, das der griechische Wein in Deutschland hat, nämlich angesichts mancher recht einflussreicher Weinkritiken. Bei wein.plus bekommen all diese soeben genannten reinsortigen Weine aus Merlot und Syrah vom Lacules Estate nur 87 bis 88 Punkte. Das sind Bewertungen, die für mich in keiner Weise nachvollziehbar sind. Zumal der Zweitwein, „The Chord“ 2019, auch nur einen Punkt darunter liegt. Der ist zweifellos auch nicht schlecht. Aber wie man zwischen diesem Zweitwein und den reinsortig ausgebauten Weinen keinen großen Qualitätssprung sehen kann, ist mir unbegreiflich. Da sind andere Weinkritikerinnen und Weinkritiker im internationalen Raum doch deutlich näher an dem, was wir auch wahrnehmen - gerade, wenn es um Merlot und Cabernet Sauvignon (beziehungsweise Cuvées daraus) geht. Ein Beispiel wäre etwa dieser gute Artikel von Peter Moser über griechische Weine aus Bordeaux-Rebsorten. Wenn man griechischen Weinen beinahe nie über 90 Punkte gibt, stimmt irgendetwas nicht. Bei den Rotweinen sieht beispielsweise Marcus Hofschuster in diesem Artikel aus dem Jahr 2021 nur zwei Produkte aus Griechenland (Lacules Estate Syrah 2015 und 2016) als geradeso „hervorragend“ (nämlich bei 90 Punkte liegend) an. Da liegt z.B. Jancis Robinson regelmäßig und deutlich darüber … Darauf, dass der Zugang zu den obskuren autochthonen Rebsorten fehlt, kann man diese Diskrepanz nicht schieben. Klar, Sonne im Glas ist auch Geschmackssache, sollte aber nicht zu solchen Divergenzen führen. Wie auch immer. Eines ist klar: Wenn diese in Deutschland so bedeutende Plattform solch zurückhaltende Noten ausstellt, ist das für den Ruf der griechischen Weine natürlich nicht so gut …


Aber genug davon. Zurück zum Merlot vom Lacules Estate. Zumindest René Gabriel attestiert dem ja Spitzenqualität. Entsprechend gespannt waren natürlich auch wir, wie er sich in der Blindprobe der oben abgebildeten Weine zeigen würde. (Bis auf den Veranstalter wusste niemand, welche Weine oder Jahrgänge präsentiert wurden.) Und in der Tat, sowohl der Jahrgang 2019 als auch der Jahrgang 2018 des Merlot von Lacules Estate beeindrucken durch ihre Konzentration schon beim Ausschenken. Aromatisch sind sie allerdings erstaunlich unterschiedlich.


Die Nase des 2019er wirkt beinahe schon parfümiert. Das Spektrum der Aromen ist eher im Blumigen anzusiedeln, wobei auch dunkle Beeren eine Rolle spielen. Am Gaumen war der Wein Anfang dieses Jahres noch recht adstringierend – und zwar vom Antrunk an. Die Aromatik war aber trotzdem schon ganz da, vor allem von Cassis und Vanille geprägt. Auf dem Tisch stand auch der Château Bellevue 2019. Die 97-98 Punkte, die Lobenberg gibt, sind (selbst abzüglich des Händler-Wohlwollens) sicher etwas hoch gegriffen. Aber es handelt sich sicher um einen Vergleichswein mit gewissem Anspruch. 93 Punkte darf man schon mindestens geben. Und da auch dieser GCC aus Saint-Émilion reinsortig ist und ebenfalls bei 14,5% liegt, darf man durchaus Verbindungen herstellen. Parallelen kommen dabei aber nicht heraus. Denn es kann keine Frage sein, dass der Franzose – trotz viel roter Frucht und angenehmer Vanille – hier das Nachsehen hat. Einfach ein dünnes Wässerchen im Vergleich, viel zu harmlos, eher ein guter Zechwein. Dem Lacules Estate ist da mit seiner Dichte die weitaus größere Alterungsfähigkeit zuzutrauen. Aufgrund fehlender Langzeiterfahrung sollte man natürlich mit konkreten Prognosen vorsichtig sein. Bis 2035 wird er sich aber zweifellos noch weiterentwickeln. Und es gibt keinen Grund, warum er nicht auch bis 2050 auf diesem Niveau bleiben sollte. Also: 94+ Punkte. Man darf gespannt sein, wie weit diese Reise geht …


Der 2018er ist in der Nase fruchtiger. Kandierte Ananas macht hier einen exotischen Auftritt. Am Gaumen fleischig. Rote Beeren spielen hier eine größere Rolle. Das Blumige kommt erst im ersten Nachhall. Es schließt sich eine große Ladung Gewürze an, was symptomatisch dafür ist, dass dieser Jahrgang ein rauchigeres Profil hat. Ja, diese Notizen sind jetzt recht mager – aber wir waren einfach sehr am Genießen. 96 Punkte. Ob er noch besser wird oder nur anders? Mal schauen … Wer von dem Wein ein paar Flaschen im Keller liegen hat, darf sich auf jeden Fall glücklich schätzen.


The Emperor 2021 vom Papargyriou Estate

Kann man das noch toppen? Jein. Der beste griechische Merlot zum jetzt trinken ist der Lacules Estate 2018. Allerdings kam vor einigen Monaten nun auch das neue Flaggschiff vom Papargyriou Estate, der wahrhaft royale The Emperor 2021, auf den Markt. Zum Merlot kommen noch 5% Cabernet Franc. Erträge von nur 35 hl/ha und eine Produktszahl von nur etwas mehr als 2000 Flaschen in diesem ersten Jahrgang unterstreichen den hohen Anspruch. Preislich liegt der Wein mit ca. 65€ in Deutschland auf einer Ebene mit dem Etos und über den Weinen vom Lacules Estate. Hat er das Zeug zum "icon wine"?


Eines ist sicher: Wer sich für Merlot mit hohem Lagerungspotenzial interessiert, muss hier zugreifen. Denn viel dichter kann man Rotwein nicht machen, sonst muss man ihn aus dem Glas löffeln. Jedoch: Während manche Weine vom Papargyriou Estate mit ihrem hohen Extrakt und der Süße die Gemüter spalten (etwa der Le Roi des Montagnes Syrah), überzeugte dieser Wein durchweg alle, welche einen Schluck von der ersten Flasche des Kartons abbekamen. Er liegt zwar auch bei 15%, bringt aber auch genügend Säure mit, sodass er nicht überfordert, nie zur pappigen Trinkmarmelade wird. Freilich, im Moment stehen Brombeere und Vanille noch sehr im Vordergrund. Die Tertiäraromen werden hier das Bild noch abrunden. Der hölzerne Rahmen darf hier noch mit etwas mehr als Leder und Zigarrenkiste hervortreten, wenn die dieses Bild noch recht grell bestimmende Beerenaromatik langsam verblasst. Dies ist tatsächlich mal ein Wein, der reifen muss. Die 18 Monate im Eichenfass weisen darauf hin, dass auch Papargyriou längerfristig plant. Im Moment steht der Wein bei 95+ Punkten. Bis 2025 sollte man sich schon gedulden. Auf jeden Fall sollte man noch ein paar Flaschen haben, wenn man dann den 2021er Jahrgang aus Pomerol zum Vergleich nächsten Herbst bekommen kann. Nebenbemerkung: Auch für den Emperor fände ich es nicht verkehrt, wenn er noch später auf den Markt käme. (Und auch das Etikett könnte meiner Meinung nach noch etwas hochwertiger sein, damit das Gesamtpaket stimmt. Aber genug gemeckert.) Schon angesichts des Klimawandels lohnt sich gerade dieser Seitenblick aus Frankreich in den Süden Europas, zeigt er doch, wo die Reise auch in nördlicheren Gebieten hingeht. Ich sehe keinen Grund, warum dieser Wein nicht bis 2050 halten sollte. Zwischenzeitlich wird er gut auf 97-98 Punkte kommen. In dieser Zuversicht beschließen wir diesen Artikel auch mit diesem Wein als Klimax, obwohl, wie gesagt, schon der Lacules Estate 2018 Weltklasse ist (und manchen wohl auch besser schmecken mag). In Deutschland gibt es „The Emperor“ für 65 €. Zugreifen lohnt sich, wird er doch bald schon in Griechenland ein begehrtes Sammelstück sein.

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