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  • Griechische Weine

Es muss nicht immer Santorini sein…

Assyrtiko von der griechischen Insel Santorini ist eine echte Hausnummer, auch international. Auch Lobenberg vergibt hier schonmal bis zu 99 Punkte. Beeindruckend (oder doch eher etwas verstörend?) ist auch, dass bei der neuen Runde des Wettbewerbs um die 50 besten griechischen Weine („50GGW“) Assyrtiko ganze 17 Mal platziert ist – und nur einmal nicht von Santorini stammt. Da wollten wir bewusst einmal Weine dieser Rebsorte vom griechischen Festland verkosten – wieder einmal. Schon letztes Jahr hatten wir hier sehr diverse Produkte kennengelernt und in einem Streifzug quer über das griechische Festland ein paar echte Entdeckungen machen dürfen (siehe den Bericht hier). Die Weine der diesjährigen Verkostung, die als Blindverkostung stattfand, stelle ich im Folgenden in aufsteigender Punktezahl vor.



Das untere Ende markiert der als Pirat ins Rennen geschickte Wein, ein Assyrtiko des Jahrgangs 2019, den ein Mitglied des Verkostungsteams kürzlich bei LIDL in Griechenland erworben hatte. Der Wein, den Greek Wine Cellars für den Discounter aus Trauben der PGI Zentralgriechenland produziert, kostet dort sagenhafte 1,49€! In Deutschland sind das im Online-Shop dann 4,99€. Was soll man sagen? Ja, der Wein wurde im Laufe des Abends durch die Ränge durchgereicht. Und wenige Tage später war in der Nachverkostung nur noch wenig Aromatik übrig. Aber etwas anderes darf man natürlich auch nicht erwarten. Eigentlich fällt positiv auf, dass Wein und Mineralik dem Wein durchaus Struktur geben und er eine sortentypische Frucht zeigt, wenn diese auch etwas eindimensional bleibt, vor allem an grüne Äpfel erinnert. Das sind beachtliche gute 15 Punkte – und die nun lebenslang nagende Aufgabe, im Discounter mal einen deutschen Wein für unter 2€ zu finden, der einen derart gelungenen Einstieg in eine deutsche Rebsorte darstellt.


Der Assyrtiko 2021 von der Nemea Winery (PGI Peloponnes) sticht aus dem disjährigen Feld dadurch hervor, dass er am deutlichsten die fruchtige Dimension der Assyrtiko-Trauben nach außen kehrt. Hier findet man eine deutlich größere Bandbreite an Fruchtaromen. Ja, man hat hier sogar für Weißwein recht untypische Kirsch-Noten in der Nase. Am Gaumen gesellt sich dann Nektarine dazu. Der Wein ist süffig – aber breit genug, um nicht zu langweilen. Dazu kommen lemonische Anklänge, die in Basilikum-Noten übergehen und so verhindern, dass der Wein zu kitschig wird. Trotzdem ereilte ihn das Schicksal, im Laufe der Verkostung etwas herabgestuft zu werden. Es ist ein Wein, der für sich selbst sicher überzeugt – und auch den meisten Sauvignon Blancs das Wasser reichen kann, wenn es um exotische Frucht geht. Im Vergleich zu den anderen Weinen weist er aber weniger Komplexität auf und landete daher am Ende bei, natürlich immer noch beachtlichen, sehr guten 16 Punkten.


Qualitativ in einer ähnlichen Liga, wenn auch stilistisch ganz anders, ist der Assyrtiko von Mega Spileo (PGI Achaia) des Jahrgangs 2021. In der Nase ist der Wein sehr viel verhaltener. Im Nachhall ist er etwas Blumig und von Honig geprägt. Dazwischen dominiert die Struktur des Weines, auch wenn ätherische Aromen relativ diffus auch eine Rolle spielen. Die Säure ist knackig. Sie fällt aber nicht so positiv auf, wie sie könnte, da das Tannin dann doch eine Spur zu schmirgelnd ist und der Trinkfluss dadurch deutlich ausgebremst wird. Ebenfalls sehr gute 16 Punkte.


Im Mittelfeld der Verkostung begegnet uns dann der Assyrtiko vom Olympia Land Estate (PGI Ilia). Im Vorjahr hatte dieses Gut mit dem Jahrgang 2019 ganz klar das Rennen gemacht und 18,5 Punkte geholt. Ein einschlägiger griechischer Weinnarr hatte sich aufgrund unserer lobenden Worte den Wein besorgt und kam für den Jahrgang 2020 – den wir dieses mal verkosteten – auf eher ernüchternde 88 Punkte. Wir waren also etwas vorgewarnt. Auch der Alkohol ist mit „nur“ 14% nun in einem moderateren Bereich. Das ist immer noch nicht wenig, aber natürlich eine ganz schöner Unterschied zu 15%. Und in der Tat war der Wein in der Blindverkostung ganz schön schwer zu finden. Letztlich verrieten ihn dann doch einige charakteristische Noten gebrannter Mandeln. Der Wein ist süß und von guter Frucht gezeichnet im Antrunk, hält dies in der Struktur aber nicht durch. Letztlich bleibt er gegenüber dem Vorjahr schmaler – und kürzer. Durchaus beachtliche hervorragende 16,5 Punkte, aber doch weit hinter dem 2019er.


Der Assyrtiko der Mylonas Winery (PGI Attika), Jahrgang 2021, hat es in sich. Mensch, was für ein erfrischender Wein! Er wirkt im Mund gleich mal ein paar Grad kälter als all die anderen Weine. Ja, da ist auch ein wenig CO2, das man nicht unbedingt bräuchte. Aber die Säure ist so perfekt in der Balance und trägt den Wein so lange, dass man ihm Vieles nachsieht. Aromatisch dominiert Pfirsich, der sich sehr kontinuierlich durch den Geschmacksverlauf zieht. Eine große Bandbreite an Aromen liefert der Wein allerdings nicht. Und das wirft dann doch irgendwann Zweifel auf, was eine enthusiastische Bewertung angeht. Andererseits: So einen Wein braucht man auch nicht über Tage trinken und zerlegen. Wir bleiben daher beim oberen Ende der im Raum stehenden Bewertungen und geben ihm, ehe der Frischeschock nachlässt, hervorragende 17 Punkte.


Der nächste Wein bringt uns etwas in Verlegenheit. Es handelt sich dabei um die Konterflasche des Aghia Kiriaki 2018 von Alpha Estate (PGI Florina), der letztes Jahr etwas ratlose 16,5 Punkte bekommen hatte. Wir schieben es mal auf das zusätzliche Jahr Reife, dass das, was wir damals nur mit viel Kreativität und Wohlwollen gegenüber dem Weingut (zu dem man mehr hier lesen kann) herausschmecken konnten, uns diesmal ganz klar entgegenschlug – eine schon beinahe überreife Frucht, die gepaart mit der Cremigkeit des Weins aber hervorragenden Sinn macht und einen edlen Eindruck evoziert, an den keiner der anderen Weine heranreichen kann. Auch wenn wir einen halben Punkt vielleicht auf die Tagesform oder den Verkostungskontext schieben müssen, verlangt es die Redlichkeit, dass wir diesmal klar großartige 17,5 Punkte verteilen. Also: Trinkreif! (Wer sich selbst ein Bild machen will: Den Jahrgang 2019 gibt es bei unserem Partnershop für 17,99€ die Flasche. Kauft man zwei Flaschen und legt sich eine für ein Jahr zur Seite, kann man prüfen, ob es hier wirklich innerhalb eines Jahres zu einer solchen Verbesserung kommt...)


Eine wirkliche Überraschung war der Alepotrypa 2020 von der Domaine Hatzimichalis. Nach dem ersten Schluck hatte ich die Flasche provisorisch ganz ans Ende meiner Rangliste geschoben. Anders aber als etwa der Assyrtiko der Nemea Winery wanderte der Wein dann im Laufe des Abends beharrlich nach oben. Und ich musste einsehen, dass er mich anfangs schlicht überrumpelt hatte – mit einer irren Explosivität. Die Nase verrät dabei noch gar nicht, was am Gaumen auf einen wartet. Dort sprintet der Wein in die letzten Ecken und reizt mit intensiven Aromen von Äpfeln und Birnen, aber auch von Salbei. Je länger man den Wein trinkt, desto mehr erkennt man diese Dimension auch in der Nase wieder und das Ganze fügt sich harmonisch zusammen. (Nur eine Spur CO2 lenkt zwischendrin unnötig die Aufmerksamkeit auf sich.) Mit 14,5% liegt der Wein auch in Sachen Alkohol ganz vorne. Es zeigt sich wie im Vorjahr, dass rassiger Assyrtiko vom Festland in der Hinsicht eine ganze Menge verträgt. (Auch der Areti weiß von Biblia Chora hat immerhin 14%.) Der Wein ist großartig und verdient entsprechend 18 Punkte. In Deutschland kann man ihn für unter 10€ kaufen, was ein grandioses Preis-Leistungs-Verhältnis ist.


Stilistisch eigentlich ganz ähnlich – nur eben weniger aufgeregt, mehr in sich ruhend – ist dann schlussendlich noch der Areti weiß 2019 von Biblia Chora (PGI Pangeon). Zum Weingut gibt es hier eine Reportage. Der Jahrgang 2018 hatte in der vergangenen Runde der „50 GGW“ noch einen fantastischen sechsten Platz gemacht (und war dann bald überall ausverkauft). In unserer Verkostung im Vorjahr hatten wir leider mit einem Flaschenfehler zu kämpfen. Da ich den Wein unbedingt endlich mit vergleichend verkosten wollte, haben wir ihn daher für die diesjährige Verkostung hinzugekauft. Obwohl auch dieser Wein seine Aromatik explosionsartig entfaltet, gab es da vom ersten Antrunk an nie eine Frage, dass man etwas ganz Besonderes im Glas hatte. Zur feinen Nase kommt ein sehr komplexer Geschmackverlauf – und ein sehr langer Nachhall. Ein Wein, der staunen lässt und den man mal probiert haben sollte. Denn das ist ein phänomenaler griechische Assyrtiko, der 18,5 Punkte verdient. Und man kann sich den ruhig auch in den Keller legen, denn noch ein paar Jahre hält der garantiert aus. (Den Testsieger gibt es übrigens für 16,90€ die Flasche bei unserem Partnershop. Bestellt man über dieses Formular, bekommen wir eine kleine Provision, mit der wir unsere Webseite finanzieren.)


Zum Abschluss gab es einen Dessertwein aus Assyrtiko. Den Arethousa 2017 – wieder vom Olympia Land Estate. Und da es beim trockenen Wein nicht ganz für eine Spitzenwertung in diesem Jahr gereicht hat, war der Abschluss durch diesen gelungenen Wein umso erfreulicher. Die in der Sonne getrockneten Trauben ergeben hier einen Wein, in dem die Mineralik bei aller Süße nicht zu kurz kommt. Und zitrische Aromen, die hier über typisches Trockenobst dominieren, verleihen dem Wein trotz natürlich etwas in den Hintergrund tretenden Säure genügend Frische. Wir beendeten den Abend daher mit großartigen 17,5 Punkten.


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